Seht, die gute Zeit ist nah

Foto: Gesa Dress
Zum Video: youtu.be/cCQOorRwyOs
Vorspiel: Posaunenchor
M: Begrüßung
Gegen Inzidenzen, Hospitalisierungsraten, gegen alle Verkündung des Todes in unseren Nachrichten, gegen Unfrieden und Selbstsucht singen wir an - hier an der Krippe: Seht die gute Zeit ist nah!
Lied: Evangelisches Gesangbuch 18 Seht die gute Zeit ist nah
Einleitung
Uwe: Vielleicht erinnern Sie sich noch an die letzte Advents- und Weihnachtszeit? Da begleitete uns das Motto „An der Krippe gelacht“. Es wurden Witze erzählt. Zum Ohrwurm wurde der Liedvers: „Das wünsch´ ich sehr, dass immer einer bei mir wär´, der lacht und spricht: Fürchte dich nicht.“ Bei der Vorbereitung der Krippenandachten für diese Saison haben die Verantwortlichen in den Teams und Kirchengemeinden das Motto nochmals leicht abgewandelt. In diesem Jahr lautet es: An der Krippe gewacht.
Ulla: Im ersten Moment mag für viele von uns „wachen“ fremd klingen. Wer wacht? Wofür? Wo wird denn gewacht? Nachtwächter und Torwächter in früheren Städten haben längst ausgedient. Dafür haben wir eine Rettungswache, eine Feuerwache, eine Polizeiwache in unserer Stadt. Und Nachtwachen auf den Stationen im Krankenhaus. Wie gut, dass einige Menschen wachen, damit die meisten in Frieden ruhen können! Wie gut, wenn über unser Leben, unsere Gesundheit, unser Hab und Gut gewacht wird! Wie gut, dass Menschen wachen, die wir unter 110 und 112 rund um die Uhr erreichen können!
A: Ein Psalmvers in der Bibel lautet (Psalm 127): „Wenn der Herr nicht die Stadt bewacht, so wachen die Wächter umsonst.“ Oft sind es Ängste, Bedrohungen, Befürchtungen, Sorgen, die Menschen wachen lassen.
H: Hier an der Krippe soll es anders sein: Wir wachen in freudiger Erwartung eines Wunders. Unser Wachen ist voller Hoffnung und Freude. Wir wachen nicht ins Blaue, ins Leere, ins Ungewisse. Wir wachen an dieser Krippe in unserer Stadt Bad Harzburg. Wir wachen in Verbundenheit mit allen Christen weltweit. Wir wachen, weil wir eine gute Nachricht gehört und zu sagen haben. Manchen ist sie allzu bekannt und gewohnt, manchen zu fremd, manchen zu niedlich, manchen zu langweilig. Ein Kind soll geboren sein, ein Kind, das alle Werte und Erwartungen auf den Kopf stellt.
Ansage Lied Nr. 1: Wir sagen euch an den lieben Advent, 1. Vers 2x, begleitet vom Posaunenchor
Impuls EG 428 Komm in unsere stolze Welt
M: Neben dem Motto „An der Krippe gewacht“ soll sich durch die Krippenandachten in diesem Jahr ein zweiter roter Faden ziehen: Ein Lied, das gut 50 Jahre alt ist und Eingang in das Evangelische Gesangbuch gefunden hat. Vers für Vers soll es uns von Andacht zu Andacht begleiten. Bevor wir uns heute dem ersten Vers zuwenden, hören wir einmal alle 5 Verse.
Ulla: Komm in unsre stolze Welt, Herr, mit deiner Liebe Werben. Überwinde Macht und Geld, lass die Völker nicht verderben. Wende Hass und Feindessinn auf den Weg des Friedens hin.
H: Komm in unser reiches Land, der du Arme liebst und Schwache, dass von Geiz und Unverstand unser Menschenherz erwache. Schaff aus unserm Überfluss Rettung dem, der hungern muss.
M: Komm in unsre laute Stadt, Herr, mit deines Schweigens Mitte, dass, wer keinen Mut mehr hat, sich von dir die Kraft erbitte für den Weg durch Lärm und Streit hin zu deiner Ewigkeit.
Uwe: Komm in unser festes Haus, der du nackt und ungeborgen. Mach ein leichtes Zelt daraus, das uns deckt kaum bis zum Morgen; denn wer sicher wohnt, vergisst, dass er auf dem Weg noch ist.
A: Komm in unser dunkles Herz, Herr, mit deines Lichtes Fülle; dass nicht Neid, Angst, Not und Schmerz deine Wahrheit uns verhülle, die auch noch in tiefer Nacht Menschenleben herrlich macht.
Uwe: Komm in unsre stolze Welt, - in unser reiches Land, - in unsre laute Stadt, - in unser festes Haus, - in unser dunkles Herz. Wie in konzentrischen Kreisen nähern sich die Anfänge der Liedstrophen an, werden konkreter und persönlicher: unsere Welt, unser Land, unsre Stadt, unser Haus, unser Herz.
Ulla: „Komm“ – Immer wieder „Komm“. Wem singen oder sprechen wir das zu? Wer soll denn kommen? Wir sprechen und singen dieses „Komm“ nicht ins Ungefähre, nicht in einen luftleeren Raum, in ein schweigendes All, in einen leeren Himmel.
H: Hier an der Krippe hat unser „Komm“ einen sehr konkreten Adressaten: Das Kind in der Krippe. Es heißt Jesus. In seiner Gegenwart sind merkwürdige Dinge geschehen, sind Menschen angerührt und gesund geworden. Christen erwarten von ihm Rettung und Heilung für unsre stolze Welt.
Vers 1 als Sologesang (Bettina Pawlik)
Uwe: Der Verfasser des Liedtextes, Hans von Lehndorff, war Arzt. In der Zeit des Nationalsozialismus engagierte er sich samt seiner Familie in der Bekennenden Kirche. Seine Mutter war deshalb zeitweise inhaftiert. Ein Vetter war ins Attentat am 20. Juli 1944 involviert und wurde gehenkt. Hans von Lehndorff arbeitete als junger Arzt in Ostpreußen, leitete Anfang 1945 ein Lazarett in Königsberg, ließ die Gelegenheit zur Flucht ungenutzt, um seine Patienten nicht im Stich zu lassen. Nach der Eroberung durch die Rote Armee wirkte er als Arzt mehr als zwei Jahre in Ostpreußen, unter ständiger Lebensgefahr und elenden Bedingungen. Er musste schreckliche Gräuel miterleben. Sein „Ostpreußisches Tagebuch“ erzählt davon, es hat 35 Auflagen erlebt.
Als er unseren Liedtext 1968 verfasste, war er chirurgischer Chefarzt in Bonn, der damaligen Bundeshauptstadt. Führende Politiker der damaligen Bundesrepublik gehörten zu seinen Patienten.
M: So war er in besonderer Weise dicht dran an politischen Entwicklungen und Entscheidungen in dieser Zeit. 1968 hatte sich der sogenannte „Kalte Krieg“ in Europa in besonderer Weise zugespitzt. Die älteren unter uns werden sich erinnern. 1968 marschierten Truppen der anderen Warschauer-Pakt-Staaten in die Tschechoslowakei ein. Krieg in der Mitte Europas lag in der Luft. Und 1968 wäre ein Krieg wohl kein herkömmlicher geblieben, mit Frontlinien und Schlachtfeldern, sondern ein Atomkrieg mit großflächiger Verwüstung und unabsehbaren Folgen. 1968 standen Europa und mittendrin Deutschland am Rand eines Atomkrieges.
A: Heute können wir dankbar feiern, dass es damals nicht zu dieser Katastrophe gekommen ist. Die Bitte aus unserer Liedstrophe „lenke Hass und Feindessinn auf den Weg des Friedens hin“ hat sich damals auf wundersame Weise erfüllt. 1969 wurde Willy Brandt zum Bundeskanzler gewählt. Ein Dialog zwischen den verfeindeten, hochgerüsteten Blöcken begann. 1970 der Kniefall von Warschau, die Ostverträge. Tauwetter nach einer Eiszeit des Kalten Krieges. Tauwetter, das letztlich bis zum Fall des Eisernen Vorhangs und zur Wiedervereinigung Deutschlands führte.
Vers 1 als Sologesang (Bettina Pawlik)
H: Was meint stolze Welt? Stolz kann Ausdruck einer selbstbewussten Freude über etwas Geleistetes oder Entdecktes sein. Hier ist das Wörtchen „stolz“ im Sinne von Hochmut, Überheblichkeit oder Unbelehrbarkeit gemeint.
Ulla: Stolze Welt meint: „Wenn wir sie nur richtig anpacken, kriegen wir die Probleme unserer Welt schon in den Griff.“ – Unser Klima, unseren Ressourcenverbrauch, die Vernichtung von natürlichem Lebensraum, das Artensterben, das Menschensterben in armen Ländern, die daraus resultierende Migration.
A: Ja, sicher sollen wir alles tun, um die Erde als einen gedeihlichen und friedlichen Lebensraum zu erhalten. Aber unser Tun ist ein stolzes, hochmütiges Tun, wenn wir dabei unsere Welt wie ein kaputtes Auto betrachten. Als müssten wir nur ein paar lockere Schrauben finden und nachziehen. Einige unserer Probleme haben wir schon gut verstanden. Sie haben mit unserem zerstörerischen Lebensstil zu tun. Doch wo ist der persönliche Wille, wo sind demokratische Mehrheiten, um zerstörerischen Lebensstil zu ändern? Wir lernen mühsam und zu langsam, wie komplex alles Leben und Tun auf unserer Erde zusammenhängen. Auch wenn wir alles in unserer Kraft Stehende tun würden: Wir brauchen Hilfe. Wie Ertrinkende rufen wir „Komm!“, „Komm und rette uns!“
Uwe: „So wahr mir Gott helfe.“ Wir kennen diese Demutsformel von Vereidigungen – und viele misstrauen ihr. Da schließe ich mich ein. Zu oft ist das Wort „Gott“ missbraucht worden. Und doch hat die Formel „So wahr mir Gott helfe.“ ihren tiefen Sinn, weil sie eine stolze Welt vor Hochmut warnt. Ich glaube einer neuen Regierung in unserem Land ihren guten Willen zu mehr Fortschritt – und wünsche ihr zugleich eine realistische Demut angesichts einer unfassbar komplexen Welt.
M: Das flehentliche Bitten des Liedes, in das wir einstimmen, ist ein Ausdruck von solcher Demut: „Wenn der Herr nicht unsere Stadt, unser Land, unsere Erde bewacht, so wachen alle Wächter umsonst.“
Posaunenchor: EG 428 „Komm in unsre stolze Welt“
Fürbitten
Ulla: Jesus, wir bitten dich: Komm in unsre stolze Welt, damit wir in unserer Nachbarschaft und Stadt Bad Harzburg Wege zum Frieden finden. Wir bitten dich für alle, die wachen, damit andere in Ruhe leben und schlafen können.
A: Jesus, wir bitten dich: Komm in unsre stolze Welt, damit wir und die, die politische Verantwortung tragen, Wege zum Erhalt einer lebenswerten Erde finden.
M: Jesus, wir bitten dich: Komm in unsre stolze Welt und erinnere Entscheidungsträger in Staaten und Kirchen daran, dass nicht sie unsere Welt in ihren Händen halten.
H: Jesus, wir bitten dich: Komm in unsre stolze Welt und stärke die Trauernden und Kranken. Die mit ihren eigenen Kräften am Ende sind oder an ihre Grenzen kommen.
Uwe: Jesus, wir bitten dich: Komm in unsre stolze Welt, schenke Kraft und Mut denen, die Kranke pflegen und behandeln, die Trauernde trösten, Hungernde speisen, Niedergeschlagene aufrichten, Ertrinkende retten, Frierende kleiden, Gefangene besuchen, die sich für das Recht derer einsetzen, die Gewalt leiden. - „Seht, die gute Zeit ist nah“.
Vaterunser
M: Segen
Kind in der Krippe, segne jeden von uns mit deinem hellen Schein.
Kind in der Krippe, segne unsere Stadt, unser Land und unsere Erde.
Kind in der Krippe, segne und behüte uns in deinem Advent. Amen.
Lied: EG 13 Tochter Zion
Nachspiel: Posaunenchor
Verantwortlich: Team Arbeitskreis Ökumenischer Kirchenladen e.V.
Angelika Marth (A), Heidi Burkandt-Kilian (H), Marianne Schirrmeister (M), Ursula Ehrhardt (Ulla), Uwe Schirrmeister